14.01.2010

Derealisation - Die nette Dame von nebenan

Die Frau mit der ich mich unterhalte ist blond und nett. Wir reden zwar über belangloses Zeug, aber dies so als würden wir uns ziemlich gut kennen. Die Logik gebietet dass dem in der Tat so ist. Sie ist meine Schwester und irgendwas sagt mir dass ich es eigentlich auch weiß. Meine Wahrnehmung meint es allerdings besser zu wissen und fragt immer wieder "Wer zum Henker ist die Blondine da mit der du da quatscht?" Ich sehe sie ganz genau an, jedes Detail. Das Gesicht ist mir fremd. Ich sehe bloß vor den Kopf, eine Hülle von der ich nichts weiß. "Wahwah?" Ein Blick nach links in ein weiteres blond umrahmtes Gesicht. Eine unwichtige Frage beantwortend, tasten sämtliche Sinne die zweite Person ab, die vorgibt mich kennen zu wollen. Das tut sie wohl auch, es ist meine Nichte. Ich starre sie an und erkenne sie nicht. Eine dritte Blonde setzt sich dazu. Sie ist jünger als ich. Sie lacht mich an, macht einen Scherz. Ferngesteuert sonder ich menschliche Sprache ab. Die Logik weiß wer sie ist, die Wahrnehmung nicht. Während ich darüber nachsinne ob irgendwo hier in einem Keller ein besessener Wissenschaftler Blondinen klont, kommt eine mürrische Rothaarige in den Garten. Das Spiel geht von Vorne los. Ich erkunde das Gesicht, erkenne es nicht. Langsam ist mir egal wer da sitzt. Die Logik weiß ja wer es ist.

Um mich herum scheint das Leben zu toben, ich sitze auf meiner Insel und ziehe mit den Zehen Kreise in den Sand. Die Umgebung ist fremd, aber ich weiß wo ich bin. Hoffe ich. Ich beobachte die Damenriege die mich umgibt und freue mich dass sie lachen. Es hätte auch schlimmer kommen können. Trotzdem wünsche ich mir, ich wäre Zuhause geblieben, dann würde ich mich jetzt sicherlich nicht mit der letzten Kraft an den abfahrenden Zug der geistigen Gesundheit klammern. Etwas Unangenehmes macht sich in mir breit, ich rutsche nervös auf dem Stuhl herum und bin überzeugt dass alles gerade nicht richtig ist. Die Welt ist ver(-)rückt. Die Zeit dehnt und zieht sich, ob sie noch vorwärts läuft? Ich stehe auf um durch den Garten zu laufen, den ich eigentlich kennen sollte. Tu ich es? Die Wahrnehmung baut sich vor mir auf. Jetzt will sie mir weismachen, ich war hier noch nicht. Die Logik wird im Keim erstickt. Panik unterdrückend latsche ich den Löwenzahn platt, mir doch egal ich kenn ihn ja nicht. Die Wahrnehmung hat die Logik im Schwitzkasten und triumphiert. Die Wut meldet sich. Da ich sie gerade nicht gebrauchen kann, brat ich ihr eins über, zum Glück, langsam trollt sie sich. Resigniert schlurfe ich an den äußersten Rand des Nebels in meinem Kopf. Die Logik erhält die Überhand zurück. Sie hat der Wahrnehmung den Arm verdreht, die jetzt beleidigt auf ihrer abgeschabten Matratze im Hinterstübchen lümmelt. Ärgerlich dreht sie mir den Rücken zu. Ich blinzel in die Sonne und denk mir "Die kann mich mal". Endlich zurück?